Der faschistische Mord an Davide Cesare Dax 2003 in Mailand

13marzo

L’antifascismo non ha confini: di seguito un’intervista in tedesco sui fatti del 16 marzo 2003.

Davide Cesare war am Abend des 16. März 2003 mit Freunden im Stadtteil Ticinese in Mailand unterwegs, als sie von drei Faschisten mit Messern angegriffen wurden. Seine beiden Freunde wurden zum Teil schwer verletzt. Er selbst verstarb noch auf den Weg ins Krankenhaus.

Davide Cesare, von seinen FreundInnen „Dax“ genannt, wurde 26 Jahre alt und hinterließ eine Tochter. – ein Interview.

Am 24. April 2009 interviewten einige Mitglieder von Azzoncao seine Mutter Rosa im Stadtteil Rozzano, einem der proletarischen quartiere am Rande Mailands, aus dem Davide stammte.

(Wir weisen darauf hin, dass wegen der Übersetzung das gesprochene Wort etwas „eingedeutscht“ wurde. Also Begriffe und Ausdrücke umgangssprachlich niedergeschrieben wurden. Ein herzliches Dankeschön hier noch mal an die Übersetzerin.
Des weiteren haben wir uns nur auf die Niederschrift des Gesagten konzentriert. Wie seine Mutter Rosa und der Bruder von Davide auf die Fragen reagierten und wie seine Mutter erzählte, war weit emotionaler, als der hier wiedergegebene Text es erscheinen lassen.)

Azzoncao: Wir möchten uns kurz vorstellen. Wir sind eine kleine Gruppe, die Erinnerungsarbeit macht. Wir haben bisher ein Interview mit Dario, dem Bruder von Renato Biagetti, in Rom und Mavi, der Mutter von Carlos Palomino, in Madrid gemacht.

Rosa: Die AntifaschistInnen aus Madrid waren jetzt im März in Mailand auf der Kundgebung für Davide.

Azzoncao: Wir hoffen in dem Interview die richtigen Worte zu finden.
Es gibt wenige Artikel in Deutschland, die sich mit den Vorkommnissen im März 2003 befassen. Wir möchten Sie bitten, die Ereignisse aus Ihrer Sicht zu schildern.

Rosa: Waren diese Artikel aus offiziellen Medien, mit der Version der Polizei, oder die Wahrheit?

Azzoncao: Es waren wenige Artikel, die in alternativen und linken Medien erschienen. Wir kennen keine Artikel, die in offiziellen Medien erschienen und die sich mit dem Tod von Davide befassen.

Rosa: Wir wurden damals um Mitternacht angerufen. Mein zweitältester Sohn, der hier sitzt, hat abgenommen. Ich habe nicht verstanden was los war. Mir wurde gesagt, dass etwas mit Davide passiert wäre, dass er im Krankenhaus liegt. Aber wir verstanden nicht genau, was passiert war. Wir hatten mit Davide noch um 20.00 Uhr gesprochen. Er war nicht zum Essen nach Hause gekommen, sondern wollte mit seinen Freuden eine Pizza essen gehen. Um 20.00 Uhr war alles ok und als um Mitternacht der Anruf kam, war es unmöglich an etwas Schlimmes zu denken. Wir hatten die Telefonnummer von einer Freundin von ihm und haben sie angerufen. Sie weinte die ganze Zeit am Telefon. Wir dachten an einen Unfall. Das was sie erzählte machte alles keinen Sinn. Wir fuhren zum Krankenhaus San Paolo und sahen dort die ganze Polizei. Ich fuhr mit meinem Mann und meinen beiden anderen Söhnen, der Jüngste war 8 Jahre alt, zum Krankenhaus. Die Polizei ließ uns durch. Und das macht es für mich auch so befremdlich, was später zwischen der Polizei und den FreundInnen von Davide passierte. Ich habe mich gewundert über die Situation, die ich dort vor dem Krankenhaus vor fand. Wie eine politische Demonstration. Es war eine Situation wie 2001 in Genova, die aufgebrachte Stimmung, die jungen Leute, die Polizei. Die Jugendlichen haben geweint und geschrien. Ich habe mich gefragt, was ist hier los? Ich konnte mich auch an keine Demonstration erinnern, die an diesem Tag angekündigt war. Alles war sehr unwirklich. Als wir das Krankenhaus betraten, war kein Patient zu sehen. Aber wir sahen Blut auf den Böden der Flure, eingeschlagene Scheiben und im Hintergrund waren immer diese schreienden Stimmen. Als wir nach Davide fragten, wurde uns gesagt, dass er tot sei. Ab diesen Moment habe ich Nichts mehr richtig wahrgenommen. 5 Tage lang habe ich Nichts mehr richtig wahr genommen. Mein beiden anderen Söhne habe ich erst einmal weggeschickt, weil es für sie sehr schwer war. Meinem Mann ging es auch sehr schlecht. Ich habe gar nicht richtig wahrgenommen, was sich draußen vor dem Krankenhaus noch abspielte. Das sich die Jugendlichen in so einem Konflikt mit der Polizei befanden, das habe ich erst danach mit bekommen. Als ich die Nachricht vom Tode Davides bekam, danach war es mir nicht mehr möglich etwas zu begreifen.

Azzoncao: Was erzählten die Freunde von Davide, was im Stadtteil Ticinese an diesem Abend passierte?

Rosa: Wie mir erzählt wurde, sind sie, nachdem sie Pizza gegessen hatten, in Richtung Parco Janbalone (?) gegangen. Drei von ihnen waren vorne, zwei kamen als Nachzügler hinterher. Plötzlich sind die beiden Brüder Morbi hinter einem Auto hervor gekommen. Zwei die in diesem Stadtteil als Faschisten bekannt waren. Es gab einen verbalen Schlagabtausch und Beschimpfungen. Die beiden Brüder zogen daraufhin Messer und stachen auf Davide ein. Davide hatte keinerlei Verletzungen an den Händen. Was heißt, dass er keine Zeit und Gelegenheit hatte, sich zu verteidigen, und das alle Stiche direkt zum Körper gingen. Davide stand als Erster vor den beiden Anderen und bekam das Meiste ab. Seine beiden Freunde standen etwas hinter ihm. Dann kam noch der Vater der beiden Faschisten, Giorgio Morbi, dazu.

Azzoncao: Haben die Drei auf Davide und seine Freunde gewartet?

Rosa: Meiner Meinung nach, ja. Sie kannten die Gruppe um Davide und seine FreundInnen als Linke aus dem Stadtteil.

Davides Bruder: Außerdem ist man nicht zufällig mit einem Messer mit einer 16 cm langen Klinge bewaffnet.

Azzoncao: Die beiden Freunde von Davide wurden auch von den Faschisten verletzt?

Rosa: Ja. Alex wurde verletzt. Und Fabio bekam von hinten einen Stich in die Schulter. Dann kamen ganz schnell andere Leute hinzu. Diejenigen die etwas zurückgeblieben waren. Diese haben auch sofort die Ambulanzen angerufen.

Azzoncao: Die Faschisten waren weg gerannt?

Rosa: Ja, sie sind geflohen.

Azzoncao: Wir haben gehört, dass Davide sich ein paar Tage zuvor mit dem faschistischen Vater der Morbibrüder gestritten hat, weil dieser seinen Hund Rommel gerufen haben soll. Stimmt das?

Rosa: Das stimmt nicht so ganz. Den Streit gab es einige Tage zuvor mit einem der Brüder wegen des Namen Rommel für den Hund. Bei den drei Männern handelt es sich nicht um organisierte Faschisten. D.h. Das sie in einer Partei organisiert waren. Aber es sind Faschisten, die einen Anspruch auf ihr Viertel erheben. Und man fand bei ihnen zu Hause Mussolinibüsten und andere faschistische Abzeichen.
Davide war halt bekannt dafür, dass er im Sozialzentrum O.R.S.O. mitarbeitet und Kommunist war. Er setzte sich im Viertel für den Erhalt von Wohnraum ein und war dadurch auch vielen Menschen im Stadtteil bekannt.

Azzoncao: Wir haben gehört, dass er hier am Stadtrand von Mailand, in Rozzano, in der Rifondazione Communista organisiert war. Stimmt das?

Rosa: Ja, er kommt aus Rozzano und war bei der Rifondazione. Dann kam er aber mehr mit Mailand und den Sozialzentren in Kontakt.
Die Parteien sind für junge Menschen halt sehr streng und durchorganisiert. Da liegt es für junge Leute näher, sich den Kollektiven der Sozialzentren anzuschließen. Das ist für sie interessanter.

Azzoncao: Was passierte am 16.3.2003 nachdem die Faschisten geflohen waren?

Rosa: Zunächst kam die Polizei und hat alles abgesperrt, jegliche Zufahrten. Dabei verweigerte sie auch dem Krankenwagen die Zufahrt. Später behauptete die Polizei, es wäre zu der Verspätung des Krankenwagens gekommen, weil die FreundInnen von Davide große Müllcontainer auf die Straße gerollt hätten. Das war absolut unwahr. Es gibt auch solche Container nicht in diesem quartiere, sondern hier in Mailands Peripherie. Damit versuchte die Polizei die Verspätung des Krankenwagens zu begründen. Das zuständige Polizeirevier für Ticinese ist auch nur 100 Meter entfernt gewesen von dem Tatort. Ein Krankenwagen wurde für Davide gerufen, ein weiterer für Alex.

Azzoncao: Wie lange dauerte die Verzögerung durch die Polizeimaßnahmen?

Rosa: Mehr als eine halbe Stunde. Und ich bin der Meinung, dass Davide vielleicht noch am Leben wäre, wenn es nicht zu dieser Verzögerung gekommen wäre. Davide kam nicht mehr lebend im Krankenhaus an. Diese halbe Stunde hätte ihm das Leben retten können. Das die Polizei dem Rettungswagen die Durchfahrt verwehrte ist ein Grund dafür, dass Davide starb.

Azzoncao: Was haben denn die FreundInnen von Davide über die Situation vor dem Krankenhaus San Paolo erzählt?

Rosa: Das Ospedale „San Paolo“ ist in der Nähe von dem Tatort. Die FreundInnen sind von dort dahin. Auch haben sie viele andere befreundete Jugendliche angerufen, die dort hin gekommen sind. Kurz nach dem Krankenwagen kamen sie vor dem Ospedale an, wo schon viel Polizei stand. Die Jugendlichen trafen sich vor dem Krankenhaus. Die Carabiniere äußerten sich in dem Sinne „Einer weniger“. Und als bekannt wurde, dass Davide gestorben war und die Jugendlichen „Assassini, assassini – Mörder, Mörder“ riefen, begannen die ersten Schlagstockeinsätze der Polizei.

Azzoncao: Wir hörten, dass die Polizei die Jugendlichen auch im Krankenhaus angegriffen hat.

Rosa: Ja. Es waren auch FreundInnen von Davide im Krankenhaus. Sie wurden von der Polizei angegriffen. Krankenhauspersonal hat dann versucht, die Jugendlichen vor dem Hass der Polizei zu beschützen. Die Polizei hat die FreundInnen von Davide durch das Krankenhaus verfolgt bis hin zum OP-Bereich. Dabei setzte die Polizei auch Baseballschläger ein.
Das Krankenhaus San Paolo hat ein großes Einzugsgebiet, viele Menschen kommen dort hin, um sich medizinisch versorgen zu lassen. An diesem Abend wurde den Menschen dort das Recht auf Unversehrtheit, Schutz und medizinische Heilung genommen. Und für die FreundInnen von Davide war die Antwort auf ihr Schreien und ihre Trauer um Davide Schläge durch die Polizei.

(Anmerkung: Dokumentationen unter:
http://reload.realityhacking.org/prop/folders//20060224_folder25_light.p…
http://www.inventati.org/sanpaolo/index.htm)

Azzoncao: Wie äußerte sich das Krankenhauspersonal zu den Vorkommnissen?

Rosa: Es gibt eine Erklärung von allen Angestellten und Ärzten, die an diesem Abend in dem Krankenhaus gearbeitet haben. Sie haben die Situation beschrieben, von der Ankunft von Davide und auch von der Situation vor dem Ospedale. Davon gibt es auch Videoaufnahmen, die von einem Fenster aus aufgenommen wurden und die das Vorgehen der Polizei vor dem Ospedale belegen. Aber dem Allen wird kein Wert zugemessen. Die Krankenhausleitung sprach ein „Veröffentlichungsverbot“ der Erklärung des Personals und der Ärzte aus. Diese durfte nicht an die Presse gehen. In dieser Erklärung wurden die Aussagen von Davides FreundInnen bestätigt. Besser gesagt, die Krankenhausleitung sprach eine „Empfehlung“ aus. Im Hintergrund wurde mit Entlassungen gedroht. Bei der Gerichtsverhandlung wurde diesem Dokument kein Wert beigemessen.

Azzoncao: Es gab einen Prozess gegen die beteiligte Polizei?

Davides Bruder: Ich weiß nicht, ob Du Dir vorstellen kannst, was es heißt, wenn ein Freund oder ein Verwandter von Dir in ein Krankenhaus eingeliefert wird, Du bei diesem Krankenhaus ankommst und nicht weißt, wie Du mit einer solchen Situation umgehen sollst und dann bei diesem Krankenhaus eine ganz unwirkliche Situation vorfindest. Überall Polizei, wo man sich fragt, wo die herkommt. Polizisten, die provozieren, immer wieder und dann beginnen zu schlagen.
Diejenigen die geschlagen wurden, haben Anzeige gegen die Polizisten erstattet. Genauso wurde von den Polizisten Anzeige erstattet. Und wie es bei uns in Italien ist, hat auch nicht ein Polizist einen Tag Strafe durch das Gericht bekommen.

Rosa: Die FreundInnen von Davide hingegen wurden verurteilt. Ein Junge bekam eine Geldstrafe von 100 000 Euro, die er an die Polizei zahlen muss.

Azzoncao: 100 000 Euro?

Davides Bruder: 100 000 Euro. Er wird alles was er besitzt verkaufen/beleihen, müssen.

Rosa: Am 7. Mai geht der Prozess gegen vier Beschuldigten weiter. Für einen stehen 18 Monate Gefängnis aus.

Azzoncao: Warum?

Rosa: Widerstand gegen die Staatsgewalt, Beschädigung eines Polizeifahrzeugs und weil einer der Polizisten einen Schlag durch einen der Jugendlichen abbekommen hat. Einer der Jugendlichen hat auch 6 Monate auf Bewährung bekommen.

Azzoncao: Entschuldigt die Nachfrage. 100 000 Euro diese Summe ist extrem hoch.

Davides Bruder: Ja, die Summe ist noch nicht bezahlt. Es ist zu vermuten das das Geld zwei Personen aufbringen müssen. Wir wissen es noch nicht. Sie müßten dann Kredite aufnehmen. Das Geld ist halt nicht da. Der letzte Prozesstag dazu wird am 7. Mai stattfinden.

(Anmerkung: Dokumentation unter:
PROCESSO DI APPELLO PER I FATTI SAN PAOLO-2.pdf unter http://www.daxresiste.org)

Rosa: Wenn man sich den Prozess gegen die Faschisten der Familie Morbi anzieht, wurde die gesamte Schuld an dem großen Bruder festgemacht. Er ist zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Strafmaß wurde auf Grund von Alter und Alkoholkonsum reduziert. Der Vater der beiden Morbibrüder wurde nicht bestraft, weil er angeblich an dem Mord an Davide nicht beteiligt war. Er hat Alex, den Freund von Davide, angegriffen. Aber Alex hat keine Anzeige gemacht, weil er nicht an die italienische Justiz glaubt. Deshalb ist dem Vater, Georgio Morbi, Nichts passiert. Der jüngere Bruder hat drei Jahren Sozialarbeiten verrichten müssen. Etwas was in keiner Weise im Verhältnis zu dieser Tat steht. 140 000 Euro sollten an die Tochter von Davide gezahlt werden. Geld, das bis heute nicht eingetroffen ist. 100 000 Euro sollte an die Familie von Davide gezahlt werden. Auch dieses Geld haben wir noch nicht bekommen. Deswegen haben wir noch einen Zivilprozess gegen die Morbis führen müssen.
Bei diesem Prozess war ich Zeugin gegen den Jüngeren der Brüder und den Vater. Es gab keinerlei Entschuldigung von ihnen. Wenn man etwas Falsches macht, z.B. auch wenn man etwas getrunken haben sollte und etwas Falsches tut, dann entschuldigt man sich dafür. Aber es kam nichts von Ihnen.

Azzoncao: Wie sieht die Strafe für den älteren Bruder aus?

Rosa: Zunächst sollten es 30 Jahre sein. Mit den Reduzierungen wegen Alkohol, etc. sind es jetzt 26 Jahre. Im Ganzen werden es wohl 19 Jahre Gefängnis für ihn sein.

Azzoncao: Wie hat die Öffentlichkeit, die Medien, die Politik auf das Ganze reagiert?

Rosa: Das Erste was behauptet wurde war, dass es eine Auseinandersetzung krimineller Jugendbanden war. Eine Auseinandersetzung unter Drogenabhängigen, ohne Familie. Das galt Davide. Es wurde sehr viel auf das Opfer der Tat fokussiert. Zu den Tätern wurde so gut wie gar nichts berichtet. Wir erfuhren über diese Leute erst etwas, weil uns Leute aus dem Stadtteil über sie informierten.

Davides Bruder: Der Polizeichef von Mailand behauptete öffentlich, dass die FreundInnen von Davide vor dem Ospedale erschienen wären, um den Leichnam von Davide zu entwenden. Das war die öffentliche Bekanntmachung des höchsten Polizeichefs von Mailand.

Rosa: Das war die Begründung, um das Vorgehen vor dem Ospedale gegen die FreundInnen zu rechtfertigen.
Das war auch die Antwort die im italienischen Parlament auf die Anfrage der Rifondazione Communista gegeben wurde. Der Minister Giovanardi äußerte sich so.
(Anmerkung: Minister Carlo Giovanardi:
http://www.carlogiovanardi.it
http://www.carlogiovanardi.it/modules.php?name=Content&pa=showpage&pid=1…)
Das waren die Stimmen der ersten Tage in den Zeitungen: kriminelle Jugendliche, Drogenabhängige und die Geschichte, dass die FreundInnen versucht hätten den Leichnam von Davide zu entführen. Ich weiß nicht wie das im Ausland ist, aber hier in Italien ist das so, dass wenn jemand von Rechten umgebracht wird, das Opfer ein Krimineller oder ein Drogenabhängiger sein soll. Als eine Art Rechtfertigung der Tat. Leute ohne Familie, Leute, die auf der Straße leben würden. Und dann decken wir auf, dass alle die Opfer Menschen mit Familien gewesen sind, Menschen, die mit sozialen Werten erzogen wurden, Werten, wie man sich mit Respekt gegenüber anderen benimmt, die die Freiheit der anderen respektieren, die grundlegenden Gesetze des Miteinanders.
Wir sind alles Familien, die Tag für Tag arbeiten gehen, um über den Monat zu kommen, da ist kein Raum für Drogen und Ähnliches.

Azzoncao: Das Gleiche was mit Carlos Palomino in Madrid passierte:

Rosa: Und mit Renato Biagetti in Rom. Mit Carlo Giuliani in Genova. Mit Federico Aldrovandi in Ferrara. Kennt Ihr die Geschichte von Federico? Eine Ungerechtigkeit pur. Im Vergleich zu Davide ist Federico wirklich von Polizisten umgebracht worden. An seinem Fall sieht man, wie schwer es ist Polizisten in das Gefängnis zu bekommen. Bei Davide ist es wenigstens so, dass der eine der Morbis für lange Jahre ins Gefängnis muss.

Azzoncao: Hat sich die öffentliche Meinung, bzw. das Bild in der Öffentlichkeit über den 16. März 2003 in den letzten 6 Jahren gewandelt?

Rosa: Nein, die öffentliche Meinung in Italien ändert sich nie. Das muss immer die Gegenstimme durch die Kontrainformation erheben. Gerade nach Genova 2001 zu den ganzen Prozessen, als die Stimmung sehr aufgeheizt war, war zu sehen wie wichtig Gegeninformation ist. Die öffentliche Stimme zu den Ereignissen am März 2006 hat sich nicht verändert.

Azzoncao: In den letzten Jahren hat sich Italien rasant verändert. Berlusconis weitere Erfolge, die Beteiligung der Postfaschisten an der Regierung, die Vereinigung von Forza Italia mit Alleanza Nazionale, usw.. Läßt sich das in Zusammenhang mit den Ereignissen um Davide bringen?

Rosa: Ich habe Angst, dass noch einmal ein anderer Mensch durch Faschisten ermordet wird. Das es einen Anderen passiert. Angst weil die Stimmung, das Klima das in Italien in der Luft liegt Provokation und die Majorität der Rechten ist. Z. B werden zur Zeit von ganz vielen Firmen und Arbeitgebern Mitarbeiter entlassen, ohne sich um Verträge, um Rechte dieser Menschen zu scheren. Das trifft die ärmeren Bevölkerungsschichten. Was mir am meisten Sorgen macht ist, dass es im Parlament keine Stimme, keine Opposition, keine kommunistische Gegenstimme mehr gibt gegen die Regierung der Rechten und Rassisten.
Meiner Meinung nach erklärt das sehr viel. Es gibt niemanden mehr, der der Regierung auf dem politischen Niveau etwas entgegensetzt. Dieses Klima legitimiert solche Vorfälle wie im März 2003 hier in Mailand.

Azzoncao: Wir waren letztes Jahr bei der Gedenkdemonstration für Davide. Dort gab es zwei Konzerte, Gedichtslesungen, persönliche Erinnerungen wurden vorgetragen, ein Graffiti war gemalt worden, usw.. Welchen Stellenwert hat diese Erinnerungsarbeit für Sie?

Rosa: Leider nimmt jedes Jahr die Teilnahme an diesen Erinnerungsveranstaltungen immer mehr ab.
Seit dem Tag als Davide ermordet wurde, kennen wir ihn als „Dax“. Unser Sohn, unser Davide, wurde zu „Dax“. Er war immer derjenige gewesen, der sich für Schwächere eingesetzt, sie verteidigt, sich politisch engagiert hat, in der ersten Reihe stand. Seitdem er tot ist müssen wir ihn mit vielen teilen. Unser Sohn Davide ist „Dax“ geworden.
Ich kann meinen Schmerz und die Trauer nicht allein für mich erleben. Davide ist nicht bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Er war nicht krank. Er ist ein Opfer von politischer Gewalt geworden. Es war ein politischer Tod. Von daher ist das mit meiner Trauer ambivalent. Es ist nicht allein mein Sohn. Ich bin in der Trauer um ihn nicht allein. Auch wenn ich mir das wünschen würde. Es gibt noch viele andere, die um ihn trauern.
Wir Familien, deren Kinder während Demonstrationen und anderen Aktionen getötet worden sind, müssen uns entscheiden. Ob wir um unsere Kinder alleine trauern und uns öffentlich dazu nicht mehr äußern. Oder uns entscheiden, die Trauer nicht allein zu tragen, nach außen zu gehen, zu sprechen, weiter zu kämpfen, auch die Ideen unserer Kinder, meines Sohnes, zu verstehen. Deshalb beteilige ich mich jedes Jahr an den Erinnerungsaktionen. Um zu kämpfen. So lebt er ein Stück weiter und ist kein Opfer des Faschismus. Das beruhigt mich.

Azzoncao: Ist es schwer die Trauer um Davide mit anderen zu teilen?

Rosa: Nein, es ist nicht schwer. Im Gegenteil, es hilft sogar. Es ist wie im politischen Kampf, wenn man für eine Sache kämpft und sieht das man nicht allein ist. Das gibt Kraft und lässt einen Hoffnung schöpfen um zu kämpfen.

Azzoncao: Stehen Sie in Kontakt mit anderen Familien und Eltern von ermordeten Jugendlichen?

Rosa: Ja. Ich habe Kontakt mit Heidi Giuliani, der Mutter von Carlo Giuliani, mit der Mutter von Federico Aldrovandi, mit Stefania, der Mutter von Renato Biagetti, und einer Mutter deren Sohn von drei Faschisten ermordet wurde. Einer dieser Drei hatte an diesem Tag seinen Führerschein gemacht und sie sind zu Dritt durch die Gegend gefahren, haben getrunken. Irgendwann trafen sie auf den Jungen und töteten ihn. Der Junge hieß Davide Musso(?).
Was für uns als Familie schwierig ist, ist bei Provokationen ruhig zu bleiben. Es gibt viele solcher Provokationen. So z.B. für die Familie Giuliani nach der Ermordung von Carlo in Genova. Man muss versuchen ruhig zu bleiben.

Azzoncao: Wie geht es der Tochter von Davide?

Rosa: Sie ist eine kleine Signorina von 12 Jahren. Sie geht zum Lyzeum und hat die gleiche Sensibilität wie Davide. Wir versuchen sie aus allem herauszuhalten. Ihre Mutter versucht sie auch zu schützen und von all dem was Davide passiert ist abzuschirmen. Aber wir wissen und wollen sie eines Tages damit konfrontieren, wenn sie soweit ist. Ich bin bereit dafür, ihr ihre Fragen zu beantworten und alles zu erzählen. Sie lebt nicht in Mailand, sondern in Brescia. In Brescia sind die Legisten der Lega Nord sehr stark. Linke, oder kommunistische Gegenstimmen sind dort sehr schwach. Das macht die Situation auch noch etwas schwieriger.

Azzoncao: Wie war Davide als Mensch?

Rosa: Davide? Er war wie ein Vulkan. Wenn er an etwas geglaubt hat, dann hat er sich dem ganz hingegeben. Sein Bruder, der gerade hier gesessen hat, ist ruhiger und reflektierter als er es war. Wenn Davide von einer Idee überzeugt war, dann hat er für sie gebrannt. Das was so merkwürdig an dem Ganzen ist, das Davide als er jünger war, so 15 Jahre alt, sich für die faschistischen Ideen wie von der Forza Nuova begeisterte. Heimat, Respekt für die Familie, Tod für das Vaterland usw. .
Ein Junge aus der Peripherie Mailands. Er war schüchtern und schaffte es nie Nein zu sagen.
Er kam früh mit der Mutter seiner Tochter zusammen, sie wurde schwanger, und weil er an die Idee der Familie glaubte kam für ihn eine Abtreibung nicht in Frage. So verließ er die Schule und suchte eine Arbeit, um für sich, das Mädchen und das Kind Geld zu verdienen. Er war da 19 Jahre alt. Er ging zum Arbeiten nach Brescia und merkte, dass alles nicht so einfach war, wie er sich das vorgestellt hatte. Er suchte sich dort Arbeit und begann sich auch mit anderen Dingen auseinander zu setzen, löste sich von seinen alten Ideen und näherte sich der Rifondazione Communista an. Er wurde LKW-Fahrer und weil er Alleinernährer der Familie war, arbeitete er 12 Stunden am Tag. Über die Arbeit lernte er, dass wenn man arbeitet, man auch Rechte haben muss. Das man im Leben Nichts geschenkt bekommt. Er bekam mit, dass es eine Kollektivität gibt, in dem jede/r unterschiedlich sein kann und alle die gleichen Rechte genießen.

Azzoncao: Möchten Sie den Mitgliedern der antifaschistischen Bewegung in Deutschland noch etwas mitteilen?

Rosa: Man muss sich widersetzen. Ob in Italien oder in Deutschland. Wenn wir wenige sind können wir Nichts erreichen. Aber wenn wir viele sind. In Frankreich, Deutschland, Italien, usf., dann können wir zusammen etwas erreichen.
Und die Trauer einer Mutter in Italien um ihren Sohn ist die Gleiche wie die Trauer einer Mutter in Deutschland um ihren Sohn.

Azzoncao: Vielen Dank für das Interview.

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Una risposta a “Der faschistische Mord an Davide Cesare Dax 2003 in Mailand”

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